Marketing by FOMO - The fear of missing out!
"The fear of missing out!" oder: Wie die Werbeindustrie mit unseren Mustern spielt
Ich bin mal wieder mehr auf Facebook unterwegs.
Eigentlich Zufall, aber seit ich Threads von meinem Handy gelöscht habe, kommt es wieder häufiger vor, dass ich Facebook öffne, um mich in Wartezeiten abzulenken. So kam es auch, dass ich wieder begann, dem ein oder anderen Account zu folgen, weil mich die Inhalte interessierten. Und immer wieder auf Postings stiess, die Gewinnspiele beinhalteten, die gerade vor ein paar Tagen oder sogar Stunden abgelaufen waren. Anfangs maß ich dem nicht viel an Bedeutung zu, war ich doch eher unregelmäßiger Gast auf der Plattform und hielt es dennoch für möglich, dass ich auch etwas übersehen hatte. Als sich das dann allerdings häufte und ich durchaus auch Postings von Accounts zu verpassen schien, denen ich folgte und obwohl ich jeden Tag auf der Plattform gewesen war, beklagte ich mich bitterlich bei einer Kollegin über "den blöden Algorithmus" der mich immer erst viel zu spät mit interessantem Content versorgt - und wurde ausgelacht!
"Britta, ich weiß ja, dass der Algorithmus Dein liebster Gegner ist, aber ich glaube, in diesem Fall hast Du Deine Hausaufgaben nicht gemacht!", bekam ich zur Antwort und wurde in der Folge über einen sehr interessanten Sachverhalt aufgeklärt, dem ich bisher tatsächlich viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Ich muss vielleicht voraussetzen, dass ich persönlich eher weniger dazu neige, Dinge zu kaufen, die extrem beworben werden, da meine Erfahrung damit keine gute ist und schon in meiner Ausbildung zum Social Media Manager bekam ich von mehr als einem Dozenten zu hören "Britta, wären alle Menschen wie Du, wäre der Marketingsektor pleite!" - aber das sei hier nur am Rande erwähnt. Interessanter ist, was sich wirklich hinter dem von mir festgestellten Effekt verbirgt - denn in diesem Fall ist zwar auch "der Algorithmus schuld" - aber nur, weil er tut, was man ihm sagt!
Zuerst also einmal ein paar Grundlagen. Für uns, die Social Media zur Ablenkung oder zur Information nutzen, sind andere Dinge wichtig als für die Menschen, die den Content, den wir auf diesen Plattformen finden, planen. Hinter dem Auftreten von Influencern, Start-ups oder manchmal auch nur sehr erfolgreichen Accounts steht selten der Zufall - in den meisten Fällen haben sie ihren Erfolg einer Menge Disziplin zu verdanken. Denn ein solcher Social Media Account dient vor allem einem: Dem Aufbau einer gewissen Reichweite und Bekanntheit. Die wiederum zu mehr Reichweite und Bekanntheit führt. Die dazu führt, dass ein Mensch - nämlich der Mensch hinter diesem Account - zur "Marke" wird, einen Wiedererkennungswert bekommt und messen kann, wer wann wo wie mit seinem Content interagiert. Und ja, es mag Menschen geben, die machen das tatsächlich nur "aus Spaß an der Freude" - aber die sind tatsächlich selten. In den meisten Fällen dient ein solcher Account irgendwann einmal der Bewerbung von Produkten. Unterschwellig oder offensichtlich - das sei dahingestellt. Ein Comedian hat eine andere Zielgruppe als jemand, der Gewürze verkauft und dieser wiederum zumindest in Teilen eine andere Zielgruppe als ein Influencer, der sich in der Wahl seiner Cooperationen davon treiben lassen kann, wer auf ihn zukommt und welcher Deal ihm angeboten wird. Aber alle haben etwas gemeinsam: Jeder neue Follower ist auch ein potentieller Kunde. Für jeden von ihnen. Und was aussieht wie ein "gerade mal eben unterwegs ins Blaue gesprochenes Video" ist in den meisten Fällen geskriptet, gemessen und geplant. So weit, so gut! Was hat das aber damit zu tun, dass ich die Gewinnspiele und Aktionspostings immer erst DANN sehe, wenn sie schon vorbei sind?
Wie ich bereits sagte, der Algorithmus tut nur, was man ihm sagt - und was ihm gesagt wurde ist, dass er genau diese Postings nur Menschen anzeigen soll, die dem Account oder der Seite genau noch NICHT folgen. Die noch nie mit den Inhalten interagiert haben, obwohl sie der Zielgruppenbestimmung unterliegen. Und genau das tut der - weil genau dafür wird er auch bezahlt. Und das macht der zum Teil sogar SO gut, dass ich den jeweiligen Content nicht einmal sehen würde, wenn ich im Zeitraum der Aktion oder des Gewinnspiels auf den Account gehen und gezielt danach suchen würde. Eben WEIL ich nicht zur Zielgruppe gehöre. Weil ich schon folge, schon dort gekauft/geliket/kommentiert oder was auch immer habe oder weil ich zu alt, zu jung, zu dick, zu dünn, zu weiblich, zu männlich oder was auch immer bin. Die Aktion oder das Gewinnspiel soll NEUE Kontakte ansprechen - und der Algorithmus macht das mit so einer Akribie, dass es mir auf der anderen Seite passieren kann, dass ich Content immer wieder angezeigt bekomme, obwohl ich auf "interessiert mich nicht" geklickt habe, den Beitrag ausgeblendet oder überscrollt habe. Weil vielleicht interagiere ich ja doch beim dreizehnten Mal. Da hilft dann manchmal wirklich nur noch blockieren!
Und warum sehe ich diesen Beitrag irgendwann dann DOCH, obwohl er mir dann nichts mehr bringt?
Nun - weil er dem Account dahinter auch dann noch eine Menge bringt - indem er psychologisch mit meinen Gefühlen spielt: FOMO - the fear of missing out! Die Angst, etwas zu verpassen, wird durch die Gewissheit, etwas verpasst zu haben, übel getriggert. Und ob Du Dir dessen bewusst bist oder nicht: Wenn das Posting mit der Aktion, die Du verpasst hast, etwas enthielt, das Du gerne gehabt hättest, wird DAS dazu führen, dass Du ab sofort stärker mit dem Account interagierst! Dass Du bewusster nach seinen Postings schaust, öfter mal den Account direkt besuchst und ihm Deine Watchtime schenkst - alles in der Hoffnung, das nächste Gewinnspiel oder die nächste Aktion mitmachen zu können. Spoiler: Wirst du nicht! Denn Du bist nicht die Zielgruppe!
Böse Zungen behaupten übrigens, es gäbe Accounts, die ganz bewusst mit diesem Umstand spielen und Postings zu Gewinnspielen etc. bewusst schon bei der Veröffentlichung mit einem abgelaufenen Zeitraum versehen - aber das sei nur am Rande erwähnt, denn ich habe dafür keinerlei Beweise. Doch auch da würde ein gleich doppelter Vorteil für den Accountinhaber auf der Hand liegen, denn er spart sich die Kosten für die Gewinne und hat die Chance, seine Zielkundschaft trotzdem zu erreichen und zu triggern. Dass ein solches Verhalten moralisch fragwürdig ist und kein gutes Licht auf den Organisator wirft, muss ich nicht gesondert erwähnen, aber es ist leider tatsächlich nicht auszuschließen, und alle Plattformen die ich derzeit kenne, haben gute Gründe, sich von den Aktionen ihrer User zu distanzieren!
Und was hilft es mir jetzt, dass ich das weiß?
Nun - zumindest bin ich in der Lage, mit diesem Wissen die Emotionen, die in einem solchen Moment aufkommen, ein wenig zu kontrollieren und der Logik den Vorrang zu geben. Eben genau DER Logik, die durchaus in der Lage ist, mir zu erklären, dass die Wahrscheinlichkeit bei zigtausend möglichen Teilnehmer der zu sein, der den Laptop gewinnt verschwindend gering ist gegen die Sicherheit, nach der Teilnahme einer Flut von Werbung ausgesetzt zu sein, der ich in meinem Wahn etwas zu bekommen, das mir zum Glück fehlt, zugestimmt habe.
Vielleicht aber hilft dieses Wissen Dir ja auch dabei, Deine eigenen Aktionen auf Social Media anders zu strukturieren! Dich einmal mit "Verkaufspsychologie" oder Psychologie allgemein auseinanderzusetzen und sowohl Dein Verhalten als auch das Deiner Kunden tiefer zu ergründen! Vielleicht also hilft es Dir dabei, selbst ein wenig erfolgreicher zu werden - und wenn das der Fall ist, freut mich das sehr!
Danke fürs Lesen!
Herzlichst
die Hex´
Britta
