Das Konzept "mentale Stabilität"

Diesem Blogartikel darf ich ein paar Worte vorausschicken!
Weder bin ich selbst in irgendeiner Weise "diagnostiziert", noch habe ich vor, das anzugehen, noch maße ich mir medizinisches oder psychologisches Wissen an. Dieser Blogartikel beruht einzig und allein auf meiner Wahrnehmung und meinen Gedanken in den letzten Tagen!
Was genau bedeutet eigentlich "mentale Stabilität"? In meiner Wahrnehmung so etwas wie "innere Ruhe, Ausgeglichenheit, Gelassenheit", und vor allem "emotionale Zuverlässigkeit" mit immer gleichen Reaktionen auf ein und den gleichen Sachverhalt, wenn er mir begegnet. Interessant an dieser Stelle dürfte auch die Wikipedia Definition sein. Zitat: "Emotionale Stabilität ist im Gegensatz zur emotionalen Labilität die ausgeprägte Fähigkeit zur Kontrolle der eigenen Emotionen. Emotional stabile Personen zeigen ausgeglichene und wenig sprunghafte emotionale Reaktionen sowie die Fähigkeit zur raschen Überwindung von Misserfolgen und Rückschlägen." Zitat Ende.
Spätestens jetzt finde ich mich dabei, dieses Konzept zu hinterfragen. Wird doch emotionale Stabilität gerne auch immer mit der "Diagnose neurotypisch", also "normal" gekoppelt, wogegen alles andere in den unterschiedlichsten Formen gerne einer Menschengruppe zugeordnet wird, deren Bezeichnung "neurodivers" lautet. Und ja, ich muss sehr vorsichtig sein mit meinen Worten gerade, denn ich möchte in diesem Blogartikel niemandem, wirklich niemandem auf die Zehen treten. Doch vermutlich habe ich genau das schon gemacht - daher kann ich auch gleich weiterschreiben.
Meine Meinung: Das Konzept ist überholt!
Denn je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, je mehr fällt mir auf, dass es - falls überhaupt - nur noch eine ganz kleine Anzahl wirklich emotional stabiler Menschen gibt. Aber dafür eine steigende Anzahl von Menschen, die - aus welchen Gründen auch immer - alles tun, um nicht als neurodivers in irgendeiner Art zu gelten. Und die häufig dennoch oder genau deswegen, nach Jahren oder Jahrzehnten im Burnout oder in Depressionen landen - um teilweise nie wieder da raus zu finden. Und die - so absurd es klingen mag, ihre Gesundheit damit ruiniert haben, als gesund gelten zu wollen. Ich vermute - denn mehr kann ich nicht tun - dass es beide Geschlechter zu gleichen Teilen trifft. Wobei Männer generell eher diejenigen sind, die früh lernen, ihre Emotionen zu kontrollieren oder sogar zu unterdrücken und dadurch ggf. länger brauchen, bis bei ihnen die Dämme brechen. Gesund ist auch das nicht, denke ich!
Meine Meinung: Gefühle sind wichtig!
Leider leben wir jedoch inzwischen in einer Welt, in der Gefühle "als Abfallprodukt" gesehen werden. Als etwas, das Mensch früh an die Erwartungen seiner Umwelt anzupassen lernt, ohne zuvor die Chance gehabt zu haben, es wirklich zu verstehen. So erwarten Menschen von anderen Menschen "Dankbarkeit" für etwas. Doch: Was mache ich, wenn ich dieses Gefühl nicht habe oder nicht erkenne oder nicht äußern kann? Ich muss nicht neurodivers sein, um bereits an dieser Stelle ein Problem zu erkennen. Denn so geht es mir mit jedem Gefühl!
Freude beispielsweise. Ich kann glücklich sein - also so richtig - und dabei still vor mich hin fühlen und geniessen, ohne wie ein HB Männchen auf und ab zu hüpfen. Ich kann gut drauf sein und trotzdem einen gewissen Humor nicht verstehen oder "die Stelle zum Lachen nicht finden". Und ich weiß, dass ich je nach Konsens in einer solchen Situation höre: "Ach jetzt lach doch mal!" und die ganze Stimmung kippen kann, wenn ich zurückfrage "Worüber?"
Und das sind nur Kleinigkeiten! Doch je mehr ich mich mit ihnen beschäftige, je weniger kann ich verhindern, das Gefühl zu bekommen, dass "auch mit mir etwas nicht stimmt". Versteht mich bitte richtig, ich mag mich, wie ich bin - jedenfalls meistens - und ich habe keinerlei Bedürfnis, daran mittels Diagnostik oder Therapie etwas zu "verbessern". Und ich glaube, dass wir weit weniger Menschen hätten, die eine Therapie brauchen, wenn jeder von uns auch nur ein wenig bereiter wäre, Menschen und ihre Gefühle so anzunehmen, wie sie sind! Wechselhaft emotional, wechselhaft kreativ, wechselhaft leistungsfähig - denn ich glaube, wir sind alle so! Ich glaube, wir alle - jeder von uns, ich und Du können etwas dafür tun, dass es allen Menschen besser geht! Denn wenn sich jeder Mensch gut um sich und sein Umfeld kümmert und bereit ist, einen anderen Menschen so zu akzeptieren, wie dieser Mensch eben ist, ist allen geholfen!
Liebe geht raus an Euch alle!
Herzlichst
die Hex´
Britta